Neuropsychologie bei Händigkeitsfragen
Dr. Friedrich Vogt
Klinischer- und GesundheitspsychologeNeuropsychologe
Praxis in Salzburg
Wozu eine Linkshänderberatung?
Nach heutigem Kenntnisstand ist davon auszugehen, dass in unserer Bevölkerung etwa 20%-30% der Menschen eine angeborene Dominanz der linken Hand aufweisen. Abgesehen von den größeren und kleineren Schwierigkeiten in der praktischen Lebensgestaltung (Verwendung von Scheren, Schreiben, Dosenöffner, Gurkenschäler, Portemonnaies usw.) wird man diesem Umstand keine wesentliche Aufmerksamkeit schenken. Diese Beobachtung wird auch dadurch nicht dramatisiert, dass die linke Hand vorwiegend mit der rechten Hirnhälfte und die rechte Hand vorwiegend mit der linken Hirnhälfte nervlich verbunden sind. Die jeweilige Händigkeit ist aber ein sehr bedeutsames Indiz, welche der beiden Hirnhälften im Kopf sich für die Lebensgestaltung eines Menschen verantwortlich zeigt.Was die Hand über das Hirn verrät
Bedeutsam wird die Händigkeit vor allem dann, wenn die Unterschiedlichkeit der beiden Hirnhälften betrachtet wird. Bei den meisten Menschen übernimmt die linke Hirnhälfte Aufgaben, die in einer sequentiellen zeitlichen und räumlichen Ordnung stehen. Vor allem die Schriftsprache erfordert in einem besonderen Ausmaß die Einbindung solcher Fähigkeiten. Die inhaltliche Färbung und Betonung der Sprache wird wiederum von der rechten Hirnhälfte vollbracht. Aber nicht nur die Sprache ist von dieser Funktionsasymmetrie betroffen. Vom Steine werfen bis zur Konstruktion einer Weltraumrakete werden sich funktionelle Unterschiede in den beiden Hirnhälften finden lassen. Es ist auch nachgewiesen, dass Frauen und Männer sehr unterschiedlich auf linke und rechte Hirnfunktionen zurückgreifen.Umschulung kann Leben zerstören
Die Tragödie beginnt dort, wo Menschen aufgrund Ihrer angeborenen Fähigkeiten diskriminiert werden. Nämlich dann, wenn geborene Linkshänder/"Rechtshirner" in der Entwicklung zur Verwendung der rechten Hand gezwungen werden. Vielen Eltern und Pädagogen verfolgen mit Sicherheit keine bösen Absichten, wenn sie ihre Schützlinge zur Verwendung der "rechten" Hand ermutigen. Aber: Diese Maßnahme kann als äußerst schwerwiegender pädagogischer Kunstfehler gewertet werden!Brief eines umgeschulten Linkshänders: "
Seit 35 Jahren übe ich nun, meinen Namen flüssig zu schreiben. Aber selbst nach zig-tausenden Versuchen gelingt es mir nicht, die Unterschrift in einem Zug durchzuführen. Es ist als wäre eine Blockade in meinem Kopf. Als würde sich irgend etwas in mir wehren, meinen Namen zu schreiben. Bei all meinen Fähigkeiten bleibt es mir letztendlich immer ein wenig fremd, was ich genau tue. Als wüsste die linke Hand nicht was die rechte gerade macht. Ich lese Sätze und kann erahnen was diese bedeuten. Trotzdem verstehe ich den genauen Inhalt nicht. Es ist, als würden sich Farben ineinander vermischen und mit jeder Sekunde die ich warte, verwischen sich die Konturen. Und wie könnte ich die Welt neu erschaffen, wenn mir dabei meine linke Hand in Kopf verbunden ist."
Nur ein hysterischer Aufstand der Linkshänder?
Welche Erklärung gibt es für solche Fehlentwicklungen bei falscher Händigkeitsschulung? Es ist davon auszugehen, dass eine falsche Händigkeitsschulung zu einer unnatürlichen Beanspruchung des Corpus-Callosums führt. Trotz der ca. 200 bis 800 Millionen Nervenbahnen stellt dieser Gehirnbereich so etwas wie einen "Flaschenhals" in der Informationsverarbeitung des Gehirns dar. Die Aufgabe des Corpus-Callosums bzw. des "Balkens" besteht vorwiegend darin, die Kommunikation der beiden Gehirnhälften zu ermöglichen. Eine Überlastung des Corpus-Callosums durch einen erzwungenen schriftsprachlichen Informationsaustausch zwischen den beiden Hirnhälften würde letztlich dazu führen, dass die normale Koordination der beiden Körperhälften empfindlich gestört wird. Das Corpus-Callosum kann dann also nicht mehr die eigentlichen Aufgaben bewältigen für die es eigentlich da ist - die Zusammenführung von analytischen und synthetischen Informationen unserer Umwelt. Bei falsch geschulten Linkshändern/Rechtshirnern hätte dies zur Folge, dass die Bewältigung schwieriger Alltagsaufgaben ohne zeitliche und räumliche Strukturen auskommen muss. Die Folgen sind fatal: Konzentrations- und Gedächtnisschwächung, erhöhte Fehleranfälligkeit, scheinbare Ungeschicklichkeit, Legasthenie, Aufmerksamkeitsdefizit, Hyperaktivität, schizophrene Symptomatik, Verhaltensauffälligkeiten, vegetativ-sympathische Übererregung, psychosomatische Erkrankungen bis hin zum sozialen Abstieg. Das einzig tröstliche an dieser Geschichte liegt darin, dass es von den verantwortlichen Eltern und Pädagogen nicht schlecht gemeint war, als ihr Schützling auf "rechts" umgeschult wurde.- Etwa 10% bis 15% der erwachsenen Menschen in unserer Gesellschaft sind umgeschulte Linkshänder.
- Vielen dieser Menschen ist die Problematik nicht einmal bekannt.
- Viele falsch geschulten Kinder finden sich aus Unwissenheit ihrer Betreuer in ADHS- oder Legasthenie-Behandlungen wieder.
- Viele befinden sich in aufwendigen medizinischen oder psychologischen Therapien, die den Kern des Problems nicht einmal annähernd finden.
Linkshänder/Rechtshirner werden oft aus Unwissenheit benachteiligt und diskriminiert. In manchen Kulturen gelten Linkshänder sogar als Verbündete des Bösen. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass Linkshänder bzw. Rechtshirner diese Welt auf Ihre Art entscheidend gefärbt und verändert haben.